Beschluss des VI. Bundeskongresses am 26.-28. April 2013 in Magdeburg
Dass Frauen in unserer Gesellschaft immer noch benachteiligt sind, ist keine sonderlich neue Erkenntnis. Immer noch wird typische „Frauenarbeit“ („Frauenberufe“, wie Pflege, sozialer Bereich etc., oder Reproduktionsarbeit also Haushalt, Kindererziehung etc.) schlechter oder gar nicht bezahlt und damit auch weniger gesellschaftlich honoriert. Bei Worten wie Frauenquote, Gender & Diversity oder gar Feminismus erschallt sofort ein gesellschaftlicher Aufschrei. Solche Dinge seien überholt. Ganz nebenbei wird suggeriert, dass unsere Gesellschaft schon so aufgeklärt sei, schon so tief im Post-Gender-Zeitalter verwurzelt ist, dass solche Nebensächlichkeiten, wie die Kategorie Geschlecht kaum mehr Relevanz besitze. Und wenn Frauen immer noch diskriminiert werden, dann sei das heute sicher ihre Schuld.
Wir sehen das deutlich anders. Wir sind uns bewusst, dass die Gesellschaft in der wir leben Frauen strukturell diskriminiert. Die Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend Schröder tritt die Ideale der feministischen Bewegung mit Füßen. Statt dessen möchte sie mit der Herdprämie Frauen wieder dazu begeistern, Hausfrau und Mutter zu sein. Ganz nebenbei sieht sie sowieso Jungen in einer viel prekäreren Situation als Mädchen und möchte die Jungenförderung verstärken, da diese vernachlässigt worden sei.
Wir wollen im Zuge des Jugendwahlkampf gegen diese Zustände angehen. Deshalb wollen wir, dass Feminismus ein Schwerpunktthema des Jugendwahlkampfs wird. Hierbei wollen wir vor allem Mädchen und junge Frauen ansprechen. Gleichzeitig ist es uns aber auch wichtig jungen Männern Perspektiven eines emanzipierten Zusammenlebens aufzuzeigen. Dafür soll der Bundesverband geeignetes Wahlkampfmaterial zum Thema erstellen (thematische Faltblätter, um Inhalte leicht zu transportieren, Flyer, Aufkleber, Plakate, Give-Aways) und es allen Landesverbänden in geeigneter Anzahl zur Verfügung stellen.
Der Themenschwerpunkt Feminismus sollte sich hierbei in 3 größere Unterthemen gliedern:
1. Männer an den Herd!
Im diesem Teil wollen wir grundlegende Diskriminierungsmechanismen aufzeigen, kritisieren und Forderungen stellen, die geeignet sind solche Diskriminierungsmechanismen aufzuheben. Weil wir hierbei vor allem Mädchen und junge Frauen ansprechen wollen, ist es wichtig, sich an ihrer Lebensrealität zu orientieren. Wir wollen in diesem Kontext zum Beispiel hinterfragen, warum es immer noch so etwas wie Frauen- und Männerberufe gibt, warum Männerberufe in der Regel immer deutlich besser bezahlt sind und warum Frauen in der Regel immer noch weniger verdienen als Männer.
Aber unsere Kritik geht noch viel weiter: Wir wollen die Ehe als Institution dekonstruieren und verdeutlichen, welch patriarchale Form des gemeinsamen Lebens dahinter steht. Egal, ob es sich um die „Hausfrauenehe“ handelt, in der die Frau in vollkommener Abhängigkeit von ihrem Ernährer steht, oder um eine scheinbare moderne Ehe, in der beide arbeiten, aber Frauen im Regelfall mit der Reproduktionsarbeit (Kindererziehung, Haus- und Familienarbeit) alleine gelassen werden, und sie so einer ständigen doppelten Belastung und einem doppelten Ausbeutungsverhältnis ausgesetzt sind. Leider bleibt die Reproduktionsarbeit nicht nur in der Ehe im Regelfall „Frauensache“, auch in anderen Lebensmodellen und Beziehungsformen ist dies oft der Fall. Konkrete Forderungen hierfür könnten eine Arbeitszeitverkürzung und ein verlängerter Vaterschaftsurlaub sein. Außerdem wollen wir die Abschaffung aller Eheprivilegien, und die Gleichstellung aller Zusammenlebensformen.
2. My Body? My Choice!
Ein weiterer Punkt, den wir für relevant halten, ist eine verbesserte Sexualpolitik. Nicht erst die Vorfälle in einem christlichen Krankenhaus, in dem einer von Vergewaltigung betroffene Frau die Pille danach verweigert wurde, zeigen welche repressiven Zustände herrschen, wenn es um die Selbstbestimmung über den eigenen Körper geht. Wir wollen jungen Menschen, und vor allem jungen Frauen verdeutlichen, dass niemand, nicht die Eltern, nicht ihr Freund und schon gar nicht der Papst, über ihren Körper bestimmen dürfen sollte.
Deshalb wollen wir unter diesem Punkt konkrete sexualpolitische Forderungen stellen. Wir wollen die ersatzlose Streichung der Paragraphen 218 (Paragraph zu Schwangerschaftsabbruch) und daraus resultierend eine vollständige Legalisierung von Schwangerschaftsabbrüchen. Zusätzlich fordern wir eine freiwillige medizinische und psychologische Beratung, die allerdings von unabhängigen Stellen (Ärzt:innen, Psycholog:innen) und nicht von Kirchenmitarbeiter*innen angeboten werden soll.
Weiterhin fordern wir den kostenlosen Zugang zu Verhütungsmitteln sowie der Pille danach. Außerdem ist uns eine bessere Aufklärungsarbeit an Schulen wichtig. Wir fordern deshalb eine Initiative der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung, wobei bundesweit einheitliche Projekte an Schulen durchgeführt werden sollen, die eine plurale Thematisierung von Sexualität und eine darauf ausgerichtete Aufklärungsarbeit ermöglichen.
3. Nicht alle Grenzen dürfen fallen – Sexualisierter Gewalt entgegentreten
Nicht zuletzt wollen wir auch das Thema sexualisierte Gewalt bearbeiten. Hierbei wollen wir zwei Aspekte besonders betonen. Zum einen wollen wir antisexistische Konzepte stärker in den gesellschaftlichen Fokus rücken, bei denen es vor allem um die Unterstützung und den Schutz von Betroffenen geht. Hierbei wäre zum Beispiel die geplante Festivaltour ein praktischer Ansatzpunkt. An den Infoständen können Konzepte, wie Grenzverletzung, Definitionsmacht und Zustimmungskonzept vorgestellt werden, um bei den Besucher*innen einen Reflexionsprozess anzustoßen und eine stärkere Sensibilisierung für diese Themen zu erreichen.
Ausgehen von antisexistischen Konzepten wollen wir aber auch stärker in die Gesellschaft hineinwirken. Es gilt, den gesellschaftlichen Diskurs, der spätestens nach der Aufschrei Debatte ausgebrochen ist, in unserem Sinne zu beeinflussen. Im der medialen Aufarbeitung wurde Sexismus und sexistische Diskriminierung oft auf sexuelle Belästigung reduziert. Wir können nun in unserer Kampagne aufzeigen, das Sexismus noch viel mehr ist, als Mackergehabe eines besoffenen FDP-Politikers.
Aber nicht nur in diesem Bereich wollen wir arbeiten, wir wollen auch ganz konkrete. politische Forderungen stellen, die die Situation von Betroffenen sexualisierter Gewalt verbessern und bisherige gesetzliche Regelungen erweitert. Vorbild hierfür könnte das schwedische Strafgesetzbuch sein. Schlussendlich fordern wir, dass jeglichen sexualisierten Handlungen, bei denen es sich nicht um expliziten Konsens aller Beteiligten handelt, als sexualisierte Gewalt gilt und als solche auch juristisch belangt werden kann.
Im Regelfall wird die Definitionsmacht der Betroffenen bei juristischen Verfahren in Frage gestellt und verhandelt, ob es sich wirklich um sexualisierte Gewalt gehandelt hat. Wir fordern die Abschaffung von erniedrigenden Verfahren gegenüber Betroffenen und die Einführung von alternativen Verfahrensformen.