Beschluss des XVI. Bundeskongresses am 27.-29. Oktober 2023 in Frankfurt am Main
Als sozialistischer Jugendverband muss für uns klar sein: Auch, wenn wir die befreite Gesellschaft nicht einfach so für uns selbst umsetzen können, sollten unsere Vorstellungen darüber, wie die Welt sein sollte, ein Stück weit auch in der gemeinsamen Praxis vorweggenommen werden. Wenn wir uns gegenseitig kaputt machen, können wir nicht glaubhaft von Solidarität reden. Wenn wir fordern, die Logik von Strafe im Justizsystem zu überwinden, gleichzeitig aber im Umgang miteinander vor Strafbedürfnis nur so überschäumen, passt etwas nicht zusammen.
Probleme mit dem solidarischen Umgang im Verband gibt es schon lange, die Schuldlässt sich keiner einzelnen Personengruppe zuweisen. Es ist wichtig, Kritik zu üben und sich über die Sache hart zu streiten. Es ist menschlich, auch ab und zu Frustration über Genoss:innen in kleiner Runde zum Ausdruck zu bringen und sich hierauszutauschen. Wir brauchen aber mehr Zivilcourage und klarere Interventionen der Führung, wenn Grenzen überschritten werden.
Insbesondere erachten wir folgende Verhaltensweisen als schädlich:
– Drohungen mit psychischer und physischer Gewalt.
– Veröffentlichung privater Daten von Genoss:innen.
– Im Rahmen interner Konflikte Genoss:innen einschüchtern, indem man Reichweite auf Social Media als innerverbandliches Druckmittel nutzt und mit Shitstorms droht.
– Im Kontext politischer Auseinandersetzungen persönliche Eigenschaften von Genoss:innen (bspw. Probleme bezüglich mentaler Gesundheit) hereinziehen und gegen Genoss:innen instrumentalisieren.
– Öffentlich (insbesondere auf Social Media) über einzelne Genoss:innen herziehen.
– Kontroversen noch während sie ausdiskutiert, werden auf Social Media tragen.
– Einzelpersonen für politische Entscheidungen, die man falsch findet, alleinverantwortlich machen und persönlich fertig machen.
– Politische Konflikte auf Einzelpersonen und ihr (angebliches) Fehlverhalten reduzieren.
– Konkrete Kritik an konkreten Verhaltensweisen nicht direkt ansprechen, sondern nur abstrahiert über sie raunen.
– Wissentlich falsche Gerüchte über Genoss:innen verbreiten. Wissentlich politische Positionen von Genoss:innen falsch darstellen.
– Genoss:innen auf Veranstaltungen auslachen.
– Öffentlich (z.B. auf Social Media) oder quasi-öffentlich (z.B. in sehr großen Gruppen) persönliche Strafphantasien gegen Genoss:innen aufgrund politischer oder organisationspolitischer Differenzen zum Ausdruck bringen.
Gegen solche Verhaltensweisen müssen mehr Menschen aus allen Strömungen und Landesverbänden einschreiten. Dabei ist es wichtig, Menschen den Raum zu geben, aus Fehlern zu lernen, wofür es wichtig ist, Vorwürfe konkret zu erklären und nicht direkt Kalkül zu unterstellen. Bei all diesen Dingen ist klar, dass für Personen mit (formellen oder informellen) Führungspositionen auf Landes- oder Bundesebene andere Maßstäbe gelten als für einfache Mitglieder.
Um einen Kulturwandel zu unterstützen, beschließt der Bundeskongress konkret:
– Beschlussfassende Gremien wie der Bundeskongress, der Länderrat und der Bundessprecher:innenrat werden beauftragt, in ihre Geschäftsordnung gewisse Verhaltensregeln und mögliche Umgangsweisen mit deren Verletzung aufzunehmen, damit das Präsidium bei mehrfacher offensichtlicher Überschreitung der vereinbarten Regelungen einschreiten kann.
– Auf bundesweiten Veranstaltungen wie der Winterakademie und dem Sommercamp soll es neben Ansprechpersonen für Awareness auch mindestens eine Ansprechperson aus dem Orgateam geben, die für problematisches Verhalten ansprechbar ist, was weder übergriffig noch diskriminierend ist.
– Auf allen bundesweiten Veranstaltungen sollen Verhaltensrichtlinien zum solidarischen Umgang ausgehangen werden.
– Bei Fehlverhalten außerhalb von bundesweiten Veranstaltungen sind auch die Landesverbände aufgefordert, ggf. mit Genoss:innen, die sich problematischverhalten, zu reden.
– Der Bundessprecher:innenrat wird aufgefordert, den Aufbau einer Streitschlichtungsstruktur zu initiieren. Diese soll als AG dem Bundessprecher:innenrat angegliedert sein und auf Grundlage transparenter öffentlicher Handlungskonzepte handeln.
– Damit die Mediationsstruktur effektiv sein kann, müssen unsere Mitglieder aktiv an deren Strukturaufbau mitwirken. Deshalb beauftragen wir den Bundessprecher:innenrat, ein Wochenendseminar zu organisieren, in welchem sich (unter anderem verbandserfahrenere) Mitglieder mit Mediation auseinandersetzen und sich dann überlegen, wie eine Mediationsstruktur in unserem Verband aussehen kann.
– Eine Mediationsstruktur darf kein Ersatz sein für die Bemühung von uns allen, solidarisch miteinander zu sein. Der Bundessprecher:innenrat wird deshalb dazu beauftragt, Leitfaden zu Streitschlichtung an die Landesverbände zu verbreiten.