Liebe Genoss:innen, Freund:innen und Mitstreiter:innen,
DIE LINKE wird ihrem feministischen Anspruch nicht gerecht. Das wurde heute durch die Veröffentlichung eines SPIEGEL-Artikels über die patriarchalen Zustände innerhalb der Partei mehr als deutlich.
Die Geschehnisse reichen von Sexismus und verbaler Übergriffigkeit bis hin zu sexualisierter Gewalt und der Deckung dieser Taten durch Mitarbeiter:innen, Mandatsträger:innen und Vorstände durch die unterschiedlichen Ebenen sowie Strukturen der Partei DIE LINKE.
Diese Zustände konnten nur durch Klüngel und Männerbünde aufgebaut und erhalten werden. Verbündete werden bei Vorwürfen geschützt, um die eigene Machtposition zu erhalten.
Wir sind von den im SPIEGEL geschilderten Fällen geschockt, aber nicht überrascht, da auch wir zum Teil Betroffene dieser Zustände wurden.
Als Feminist:innen sind wir wütend und nicht bereit, diese Zustände innerhalb unserer Strukturen zu akzeptieren.
Zu viele haben schon unter diesen Machenschaften gelitten, deshalb gehen wir in die Offensive!
„Als LINKE stehen wir für einen Feminismus, der an die Wurzeln geht.“
– Wahlprogramm der LINKEN zur Bundestagswahl 2021
Wir verstehen uns als Feminist:innen und wenden uns daher gegen jede Art von patriarchalen Strukturen und Unterdrückung.
Solange der Kapitalismus aber existiert, werden wir das Patriarchat nicht zerschlagen können.
Weil wir deshalb für eine Überwindung des Kapitalismus als systemische Basis des Sexismus sind, ist unser Feminismus auch antikapitalistisch und materialistisch.
Geschlechterrollen und sexistische Klischees lehnen wir entschieden ab.
Wir wollen, dass Femizide als solche benannt, Hilfsangebote ausgebaut und Gewalt gegen Frauen und queere Personen konsequent bekämpft wird.
“Wir wollen, dass jeder Mensch – unabhängig von Geschlecht, sexueller Orientierung und Lebensentwurf – ohne Angst vor Gewalt leben kann.“
– Wahlprogramm der LINKEN zur Bundestagswahl 2021
Gewalt gegen Frauen und queere Personen ist Ausdruck und Folge einer gesellschaftlichen Abwertung und Unterdrückung, von hierarchischen und patriarchalen Geschlechterverhältnissen. Diese Abwertung wird durch Machtstrukturen und Abhängigkeitsverhältnisse verstärkt, wie DIE LINKE es leider in letzter Zeit bewiesen hat. Diesen Verhältnissen muss eine strukturelle Antwort entgegengesetzt werden, damit Frauen und queere Menschen ohne Angst vor Übergriffen oder Diskriminierung gleichberechtigt an Debatten und der Willensbildung teilhaben können.
“Diskriminierungen und gewalttätige Übergriffe gehören für queere Menschen weiterhin zum Alltag. Die offizielle Kriminalstatistik bildet nur einen Bruchteil davon ab.“
– Wahlprogramm der LINKEN zur Bundestagswahl 2021
Jede dritte Frau wird Opfer von sexualisierter Gewalt, doch nur jede Zehnte erstattet überhaupt Anzeige.
Der Grund für die gering Anzahl an Anzeigen liegt in der gesellschaftlichen Abwertung und Unterdrückung von Frauen und queeren Personen.
Oft schämen sich die Opfer dafür, was Männer ihnen angetan haben.
Es ist stigmatisiert, über sexuelle Gewalterfahrungen zu reden, während die Verharmlosung und Legitimation von patriarchaler Gewalt an der Tagesordnung ist – wenn Männer nicht sogar direkt damit prahlen.
Zudem ist auch Victim Blaming, also Täter-Opfer Umkehr, bei der man Betroffenen die Schuld daran gibt, was ihnen passiert ist, ein großes gesellschaftliches Problem.
“Alle Formen von Gewalt und Gewaltverherrlichung gegen Frauen, Kinder und LSBTIQA* (lesbische, schwule, bisexuelle, trans*, intergeschlechtliche, queere und asexuelle Personen) müssen konsequent geahndet werden.“
– Wahlprogramm der LINKEN zur Bundestagswahl 2021
Opfer sind niemals daran schuld, wenn ihnen – psychische wie physische – Gewalt angetan wird. Es ist egal, was sie angehabt haben, ob sie sich getrennt haben oder eine Trennung planen oder oder oder. Es ist nicht ihre Schuld, sondern die alleinige des Täters.
Es wird Zeit, dass die Täter Verantwortung für ihr Handeln übernehmen.
Das heißt aber auch, dass die Partei Verantwortung übernehmen muss und somit auch Konsequenzen folgen müssen.
Es kann nicht angehen, dass Täter in Strukturen bleiben und durch Vorstände und andere einflussreiche Personen Rückendeckung bekommen.
Als Feminist:innen dulden wir keine Verharmlosung von sexualisierter und misogyner Gewalt und sagen ganz klar: Wer Täter schützt, muss Probleme bekommen!
Das Vertrauen vieler Betroffener von sexualisierter Gewalt gegenüber den Strukturen der LINKEN ist zerrüttet. Viele Funktionär:innen und Mitarbeiter:innen haben durch ihre Handlungen eine Aufklärung verzögert und verhindert. Diese Handlungen haben nicht nur den Betroffenen massivst geschadet, sondern auch der LINKEN und ihr nahestehenden Feminist:innen.
Wer immer unsere Partei als Deckmantel für seine Übergriffigkeiten missbraucht, ist kein Genosse und hat sich damit für eine vertrauensvolle Zusammenarbeit disqualifiziert. Die einzige konsequente Handlung ist es, alle Ämter und Mandate niederzulegen und die Partei zu verlassen.
Wer Täter ist oder schützt und nicht bereit ist, Verantwortung für die eigenen Taten zu übernehmen und einen Aufarbeitungsprozess mitzumachen, hat keinen Platz in der Partei DIE LINKE.
Von Erneuerung wird spätestens seit der Europawahl viel in der Partei gesprochen, konkret passiert ist hingegen nichts.
Es sind immer noch die gleichen Machtkreise in führenden Positionen und eine Strukturreform liegt in ferner Zukunft.
Und eben diese Klüngel sind es, die sich gegenseitig decken und Betroffene unter Druck setzten, um jede Aufklärung der Vorfälle zu verhindern.
Diese Strukturen sind einer sozialistischen Partei unwürdig und treten die Errungenschaften der feministischen Bewegung mit Füßen.
Dabei ist gerade jetzt eine linke Partei, die ihrem Anspruch nach innerparteilicher Demokratie, einem schlagkräftigen Feminismus und einer Interessenvertretung der ausgebeuteten und entrechteten Klasse gerecht wird, unfassbar wichtig.
Ein linke Partei, die diesem Anspruch gerecht wird, ist nicht nur notwendig, sondern auch konkret umsetzbar.
Um diese Partei aufzubauen und Realität werden zu lassen, braucht es aber konkrete strukturelle Konsequenzen und Veränderungen.
Wenn die Erneuerung der Partei, von der so viele immer wieder sprechen, ernst gemeint ist, dann muss auch alles getan werden, um ihre patriarchalen Strukturen aufzubrechen. Feministische Positionen müssen mehr werden als Lippenbekenntnisse im Wahlkampf.
Davon hängt letztendlich die gesamte Zukunft der Partei ab.
Deshalb braucht es jetzt auch konsequente Veränderung und einen Bruch mit all jenen, die unsere feministischen Werte mit Füßen getreten haben.
Bisherige Unterzeichner:innen: 985 (Stand: 20. August 2022)